Filmprogramm im Mai 2024


24.4. | The Zone of Interest

18.00/20.30

Es sieht so paradiesisch aus: Der gepflegte Garten mit Gemüsebeet, Vogelgezwitscher. Ein kleines Idyll, das sich Hedwig und Rudolf Höß (Sandra Hüller und Christian Friedel) mit ihren Kindern hier aufgebaut haben. Doch Rudolf Höß ist Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz und sein Wohnhaus grenzt direkt an das Lager. Schüsse, Schreie, Hundegebell dringen unablässig herüber. Doch für das Ehepaar Höß sind das nur Hintergrundgeräusche, so als wohne man an einer belebten Straße und blende den Lärm irgendwann aus. Der britische Regisseur Jonathan Glazer konzentriert sich in seinen Bildern vollständig auf die Bilderbuchidylle im Hause Höß. Das Innere des deutschen Vernichtungslagers, in dem Hunderttausende Juden ermordet wurden, zeigt er nicht. Im Prinzip habe er zwei Filme gedreht: „Es gibt den Film, den man sieht, und den Film, den man hört.“ Aus diesem Zusammenspiel entsteht eine mächtige, sinnliche und moralische Spannung. Der Zuschauer kann nicht ignorieren, was die Familie Höß zwar hört, aber beharrlich leugnet. Der Horror entwickelt sich für das Publikum über die Tonspur. Ein beklemmender, verstörender und intensiver Film, der mit den Kontrasten spielt und noch mehr mit der Auslassung. Der tödliche Schrecken bleibt draußen, er ist nur zu hören, aber er ist unüberhörbar. Glazer: „Mein Ziel war es, den Kontrast einzufangen zwischen jemandem, der sich in seiner Küche eine Tasse Kaffee einschenkt und jemandem, der auf der anderen Seite der Mauer ermordet wird, die Koexistenz dieser beiden Extreme.

Großbritannien/USA/Polen 2023, Regie: Jonathan Glazer, Darsteller: Sandra Hüller, Christian Friedel, Imogen Kogge, ab 12, 105 min


1.5. | Radical: Eine Klasse für sich

18.00/20.30

Die erste Lektion steht nicht auf dem Lehrplan. Anfangs merkt man nicht einmal, dass sie überhaupt eine ist. Die sechste Klasse der Jose-Urbina-Lopez-Grundschule staunt über ihren Lehrer Sergio (Eugenio Derbez). Er stellt alles von den Füßen auf den Kopf, angefangen mit den Tischen, die jetzt als Rettungsboote dienen. Es gibt aber zu viele Schüler für sie. Welches wird sich über Wasser halten und welches nicht und weshalb? Es geht um Auftrieb, das Zusammenspiel von Gewicht, Volumen und Dichte. Der exzentrische Sergio führt seine Klasse zu höchster Konzentration. Der Unterricht hört auf, Pflicht zu sein und fängt an, ein Abenteuer des Entdeckens zu werden. Das ganze geht so lebhaft zu, dass man fast vergisst, wie metaphorisch Regisseur Christopher Zalla es tatsächlich meint. Keiner der Schüler soll untergehen im Alltag der mexikanischen Grenzstadt Matamoros, wo Armut, Apathie und Drogenkartelle herrschen. Drei von ihnen rückt das Drehbuch in den Mittelpunkt. Paloma träumt davon, Raumfahrtingenieurin zu werden. Lupe würde gerne Lehrerin werden. Nico schließlich macht auf allen Gebieten enorme Fortschritte – aber was nützt das alles den dreien, solange sie sich nicht aus dem Klammergriff der Kriminalität befreien können? Beim Sundance-Filmfestival wurde Christopher Zallas Film mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Er erzählt die wahre Geschichte eines unorthodoxen Lehrers, der seine Klasse auf das Leben vorbereitet – jedoch mit ungewissem Ausgang für jeden einzelnen.

Mexiko 2023, Regie: Christopher Zalla, Darsteller: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo, ab 12, 125 min


8.5. | Only the River Flows

18.00/20.30

Es regnet viel in diesem Film und fast immer wird geraucht. Und nicht nur in diesen Punkten erinnert „Only the River Flows“ an den französischen film noir der 70er und 80er Jahre. Die Liebe zu dieser Art Kino spricht aus jeder einzelnen Szene. Der Film des chinesischen Regisseurs Wie Shujun ist auf analogem Material gedreht worden und kommt nicht nur stilistisch retro daher. Er spielt auch in der Vergangenheit, nämlich in der chinesischen Provinz Mitte der 1990er Jahre. Die Leiche einer älteren Dame wird am Ufer eines Flusses gefunden und Ma Zhe, Leiter der Kriminalpolizei, soll den Fall so schnell wie möglich aufklären – Befehl von oben. Ein verdächtiger „Irrer“ serviert sich der Polizei geradezu auf dem Präsentierteller als der Täter. Alle sind froh, dass sich der Fall in Wohlgefallen aufgelöst hat – nur Inspektor Ma zweifelt. Viele Hinweise und eine ganze Reihe skurriler Figuren begegnen ihm bei seiner rastlosen Suche nach der Wahrheit. Yilong Zhu spielt diesen Ma als brütenden, wortkargen Skeptiker, der sich im Labyrinth widersprüchlicher Indizien rettungslos zu verirren droht – ein würdiger Noir-Protagonist. Eine feinsinnige Ästhetik strahlt dieser Film aus. Unter anderem kommt Beethovens „Mondscheinsonate“ zum Einsatz; nicht zu vergessen auch der mitunter skurrile Humor, etwa wenn Ma eine Holztür eintritt, aber mit dem Fuß darin stecken bleibt und eine ganze Weile braucht, bis er ihn wieder freibekommt. Ein stimmungsvoller Neo-Noir-Film über einen schwermütigen Polizisten, der bei der Suche nach einem Mörder an seine Grenzen gerät.

China 2023, Regie: Wie Shujun, Darsteller: Yilong Zhu, Zeng Meihuizi, Tianlai Hou, ab 12, 106 min


15.5. | Dream Scenario

18.00/20.30

Paul Matthews (Nicolas Cage) ist ein mittelmäßiger Biologieprofessor. Ein durchschnittlicher Typ, der mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Einfamilienhaus lebt. Irgendwann jedoch erscheint Paul auf einmal in den Träumen anderer Menschen. Zuerst ist es seine Tochter, die davon berichtet, dann werden es immer mehr. Paul wird wortwörtlich über Nacht bekannt, eine Marketingagentur will ihn groß herausbringen. Doch das Blatt wendet sich auf einmal: Paul ist in den Träumen nicht mehr nur passiver Zuschauer. Für eine Mitarbeiterin der Agentur wird er zur Erotikfantasie und für den Rest schließlich zum gewalttätigen Mörder, worauf keiner mehr etwas mit ihm zu tun haben will. Paul ist ein Mensch, der eigentlich keinen Rummel mag, aber trotzdem nach Anerkennung sucht. Der aufkommende Ruhm ist verlockend, der Fall danach umso härter. Hilflos muss Paul erleben, wie ihm nicht nur sein unverhofftes Star-Image wieder entgleitet, sondern auch sein Berufs- und Privatleben. Der Regisseur Kristoffer Borgli macht seinen Film zu einer Auseinandersetzung über verführerischen Ruhm und dessen Schattenseiten. Getragen wird „Dream Scenario“ vom Hauptdarsteller Nicolas Cage, der die ganze Bandbreite seiner Schauspielkunst zeigen kann. Cage ist in den letzten Jahren durch diverse Auftritte im Netz selbst zum Internetphänomen geworden; dass er hier eine Figur wie Paul verkörpert, hat eine Ironie, mit der der Film ganz bewusst spielt.

USA 2023, Regie: Kristoffer Borgli, Darsteller: Nicolas Cage, Julianne Nicholson, Michael Cera, ab 12, 102 min


22.5. | Kleine schmutzige Briefe

18.00/20.30

Es begab sich also zu der Zeit, als im nahegelegenen London die Suffragetten auf die Barrikaden gingen, um das allgemeine Wahlrecht für Frauen zu erkämpfen, dass in einem malerischen Küstenörtchen namens Littlehampton, Sussex, Briefe geschrieben wurden. Anonyme Briefe. Schmutzige Briefe. Briefe von solcher Schamlosigkeit und derart unflätigem Sprachgebrauch, dass das Vereinigte Königreich der 1920er Jahre, nun ja, knapp vor dem moralischen Untergang stand. Wäre ebendieses Großbritannien nicht auch ein Land der Doppelmoral und der Sensationsgier gewesen. Also wird, wann immer sich die Gelegenheit bietet, aus den Briefen zitiert und sich entrüstet. Wer diese Briefe eigentlich schreibt, bleibt zunächst unklar. Bald jedoch gerät die lebenslustige Irin Rose Gooding in Tatverdacht. Irin!, mit Kind, aber ohne Mann! Da ist für die Vertreter der Staatsgewalt der Fall klar. Für female police officer Gladys Moss (und das geneigte Kinopublikum) ist es jedoch ebenso klar, dass Rose es nicht ist. Nach einem tatsächlichen Skandal aus den 1920er Jahren erzählt die britische Regisseurin Thea Sharrock dieses Emanzipationsdrama. Im Mittelpunkt dieser schwarzen Komödie steht dabei das Verdrängte. Das Verdrängte, das Frauen nicht erlaubt ist. Das aber, wie es nun einmal des Verdrängten Art ist, unausweichlich an die Oberfläche dringt. Und da ist dann richtig was los im beschaulichen Littlehampton.

Großbritannien 2023, Regie: Thea Sharrock, Darsteller: Olivia Colman, Jessie Buckley, Timothy Spall, ab 12, 101 min

Die 20.30 Uhr-Vorstellung wird im Original mit Untertiteln gezeigt.


29.5. | Die Herrlichkeit des Lebens

18.00/20.30

Der lungenkranke Schriftsteller Franz Kafka stirbt, gerade einmal 40-jährig, 1924 in einem Sanatorium in Österreich. Ungewöhnlich ist es also nicht, dass in diesem Film über die letzten Lebensjahre des Autors der Tod ein zentrales Motiv darstellt. Dessen ungeachtet gibt es aber auch höchst Erfreuliches zu feiern oder wie Kafka 1923 selbst von sich sagte: Er habe sich zwar nicht glücklich, aber immerhin „auf der Schwelle des Glücks“ gefühlt. Das liegt vor allem an der Begegnung mit seiner letzten großen Liebe Dora Diamant. Sabin Tambrea (Kafka) und Henriette Confurius (Dora) verkörpern dieses Paar, das wie geschaffen füreinander scheint. Er der Dichter und Denker, sie die Tänzerin, bildungshungrig, aber auch praktisch veranlagt. Unter Doras Aufsicht schält Kafka seine erste Kartoffel: „Zum Körper hin.“ Das gemeinsame Leben dauert jedoch nicht mehr lange und die düstere, feuchtkalte Wohnung in Berlin mit den alltäglichen Rauch- und Ascheauswürfen des Kohleofens beschleunigt das Ende zusätzlich. „Die Herrlichkeit de Lebens“ der beiden Regisseure Georg Maas und Judith Kaufmann ist ein Liebesdrama ohne Happy-End.

Deutschland/Österreich 2024, Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann, Darsteller: Sabin Tambrea, Henriette Confurius, ab 6, 98 min


Kommunales Kino Bremerhaven


Kino 4 im CineMotion, Karlsburg 1
Eintrittskarten können Sie über die Cinemotion Website Bestellen
Internet: www.koki-bremerhaven.de

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung